Hilfsmittel abgelehnt, was nun?
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„Man kann nicht, nicht kommunizieren“, das sagte schon Schulz von Thun, als er die menschliche Kommunikation erforschte. Kommunikation ist viel mehr als Sprache, sie ist die Gesamtheit aus Lauten, Gesten und Mimik. Trotzdem ist das Sprechen für unsere Kommunikation von entscheidender Bedeutung. Durch komplexe Behinderungen oder fortschreitenden Erkrankungen, wie z.B. ALS, kann es sein, dass die Kraft zum Sprechen irgendwann schwindet. Damit der Betroffene sich trotzdem weiter artikulieren kann, gibt es Möglichkeiten, wie die sprachliche Kommunikation ersetzt werden kann.
Die Gründe, warum ein Mensch nicht sprechen kann, können vielseitig sein. Bei Muskelerkrankungen, wie zum Beispiel Spinale Muskelatrophie (SMA), Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) oder Multiple Sklerose (MS) wird die Muskulatur mindestens angegriffen, wenn nicht sogar zerstört. Zum Sprechen werden viele Muskeln benutzt und wenn diese Muskeln nicht mehr arbeiten können, kann der Mensch auch nicht mehr sprechen. Auch komplexe Traumata oder Krebsleiden können eine sogenannte Aphasie (Fachbegriff für den Verlust des Sprachvermögens) verursachen.
Da Kommunikation vielseitig ist, gibt es verschiedene Möglichkeiten, sich auch ohne Worte mit anderen Menschen zu verständigen. Zeichensprache oder Gebärdensprache zum Beispiel ist eine Möglichkeit. Auch die reine Körpersprache sagt schon viel über das Befinden eines Menschen aus. Bei komplexen Behinderungen oder mehrfach Behinderungen werden häufig Ja-nein-Fragen verwendet, die der Betroffene dann zum Beispiel durch eine Augenbewegung beantworten kann.
Diese Möglichkeiten gibt es, wenn das Problem akut ist und noch kein Hilfsmittel beschafft werden konnte. Es gibt aber auch sehr viele Möglichkeiten, wie man die Verständigung über Ja-nein-Fragen hinaus sicherstellen kann. Hierfür gibt es analoge Sprachhilfsmittel und digitale:
Analoge Sprachhilfsmittel sind Hilfsmittel, die völlig ohne digitale Lösungen auskommen. Der Betroffene ist in der Lage, zum Beispiel auf eine Karte zu zeigen oder mit den Augen auf etwas zu deuten.
Die Sprachtafel ist meistens eine Collage aus Piktogrammen oder Wörtern, welche durch den Betroffenen aufgezeigt oder angeschaut werden können. Die Anordnung, die Abbildungen und der Inhalt orientiert sich an den Bedürfnissen des Betroffenen, somit enthält die Sprachtafel lediglich die wichtigsten Dinge, die der Betroffene kommunizieren muss, zum Beispiel:
Es gibt aber auch deutlich komplexere Sprachtafeln, die zum Beispiel aus einzelnen Buchstaben bestehen, die der Betroffene dann nacheinander mithilfe einer Assistenzkraft oder eines Angehörigen anwählt, um ein Wort zu bilden, das er sagen möchte. Auch hier orientiert sich die Anordnung der Buchstaben an den Bedürfnissen des Betroffenen. Meist befinden sich die häufig verwendeten Buchstaben in der Mitte oder oben, dort beginnt die Assistenzkraft oder der Angehörige mit dem Buchstabenvorschlag.
Talker eignen sich sehr gut für die Grundschule oder den Kindergarten. Sie können von Erwachsenen mit Nachrichten versehen werden und das Kind kann diese durch den Druck auf den Auslöser abspielen.
Es gibt aber auch komplexere Talker, die wie eine elektronische Sprachtafel funktionieren. Ein Erwachsener kann verschiedene Felder mit Worten besprechen und dann entsprechende Symbole auf die besprochenen Felder legen. So kann der Nutzer selbst entscheiden, welche Taste er drücken möchte, um eine bestimmte Nachricht zu kommunizieren.
Digitale Sprachhilfsmittel werden größtenteils bei Erwachsenen und Jugendlichen eingesetzt, die nicht sprechen können. Es handelt sich um Computer, die durch die Eingabe von Wörtern zum Beispiel über eine Augensteuerung das Geschriebene aussprechen können.
Sprachcomputer eignen sich, wenn der Betroffene gerne und viel kommuniziert, vielleicht sogar studiert oder arbeitet. Manche Systeme lassen es sogar zu, dass die eigene Stimme, bevor sie vollends verstummt ist, zum Aussprechen der Worte eingestellt werden kann. Hierfür müssen rechtzeitig Aufnahmen gemacht werden.
Es muss nicht immer ein eigenes Gerät sein, für Smartphones und Tabletts gibt es mittlerweile auch schon viele Apps, die Text in Sprache umsetzen können. Bei einer intakten Fingerfunktion kann eine App ein super Begleiter sein, da muss es nicht das große Tablett sein.
Viele Hilfsmittel, die zur Kommunikation mit anderen eingesetzt werden, haben Hilfsmittelnummern, das heißt, dass sie von der Krankenkasse bezahlt werden können, wenn eine medizinische Indikation vorliegt. Unabhängige Beratungsangebote gibt es leider nur sehr selten. Rehabilitationseinrichtungen oder spezialisierte Kliniken haben häufig Kontakte zu Firmen, die Kommunikationshilfsmittel vertreiben. Über diese, sogenannten Provider können Hilfsmittel zur Kommunikation getestet, gekauft oder beantragt werden.
Da wie gesagt, das Angebot an unabhängiger Beratung gering ist, ist es immer sinnvoll, wenn sich der Betroffene und seine Angehörigen selbst ein Bild vom Markt machen können. Hierfür eignen sich Rehabilitationsmessen sehr gut, denn große, namhafte Hersteller stellen dort neben kleinen, jungen Unternehmen ihre Produkte vor und bieten sie meist auch zur Live Erprobung an. Dort kann man auch direkt Kontakte zu Sachbearbeiter knüpfen oder sich ein Demo-Gerät nach Hause schicken lassen. Regelmäßige Reha-Messen finden zum Beispiel in folgenden Städten statt:
Das Angebot an Hilfsmittel zur Kommunikation ist umfangreich, das Angebot an Anbieter unabhängiger Beratung jedoch leider gering. Jede Lebenssituation, jede Erkrankung und jeder Mensch wünscht sich etwas anderes für seine Kommunikation. Deshalb ist es wichtig, dass viele Möglichkeiten ausprobiert werden. Nur so erhalten Betroffene die für ihre Lebenssituation optimal passende Lösung. Manchmal ist auch eine Kombination aus verschiedenen Möglichkeiten, zum Beispiel für zu Hause und unterwegs, eine gute Lösung.
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